300 Jahre Liechtenstein: historische Perspektiven – künftige Chancen

Liechtenstein feiert in diesem Jahr sein 300-jähriges Bestehen. Der weltweit sechstkleinste Staat existiert damit länger als etwa die grossen Nachbarn Deutschland und Österreich. Das Fürstentum bietet so die Kontinuität, die besonders für die Verwaltung von Vermögen über Generationen hinweg nötig ist.

1719 als Reichsfürstentum entstanden, konnte sich Liechtenstein als eigenständiger Staat etablieren. Mittlerweile ist das kleine Land am Alpenrhein Heimat von Weltkonzernen und eines florierenden Finanzplatzes. Massgeblich für diesen Erfolg waren unter anderem das rechtsstaatliche Fundament, solide Staatsfinanzen (mit regelmässigen Triple-A Ratings) und die effiziente Verwaltung. In dieser Erfolgsgeschichte wird aber auch dem Fürstenhaus eine zentrale Rolle zugeschrieben.

Unternehmen Sie mit dem ehemaligen Regierungschef Otmar Hasler einen aufschlussreichen und kurzweiligen Ausflug in die Geschichte Liechtensteins und erfahren sie, wie stark die heutigen Qualitäten Liechtensteins in seiner Geschichte begründet sind. 

Die Gründung des Fürstentums im Jahre 1719 fällt ins Zeitalter der Aufklärung: Europa wird von der Idee beflügelt, dass Menschen von Natur aus bestimmte Rechte und Freiheiten zustehen und sie ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen können. Die weltlichen Herrscher können ihre Position fortan nicht einfach als gottgegeben darstellen. Statt auf dynastischer Tradition beruht ihre Herrschaft nun auf Recht und Ordnung. Wie hat sich das Fürstenhaus Liechtensteins in dieser Zeit positioniert?

 

Otmar Hasler: Der Huldigungseid im Jahr 1719 ist ganz in der Tradition des frühen Absolutismus gehalten. So sehen sich die Fürsten von Liechtenstein als absolute Herrscher. Die erste Dienstinstruktion des Fürsten Anton Florian griff denn auch mit radikalen Reformen in die Ordnung des neuen Reichsfürstentums ein, was zu einer Auseinandersetzung mit der Bevölkerung führte. Es folgte ein Ringen um die Macht des Fürsten und die Rechte der Bevölkerung. In der Verfassung von 1862 war der Fürst erstmals an die Verfassung gebunden und 1921 schrieb die Verfassung die Staatsgewalt dem Fürsten und dem Volk zu und regelte das Zusammenwirken der Träger der Staatsgewalt neu. Die konstitutionelle Monarchie auf demokratischer Grundlage ist ein starkes Symbol der Eigenständigkeit und ermöglichte einen ungeahnten Aufstieg Liechtensteins zu einem der wohlhabendsten Länder der Erde.

"Die konstitutionelle Monarchie auf demokratischer Grundlage ist ein starkes Symbol der Eigenständigkeit."

Otmar Hasler

Eine Begabung für Bündnisse

Einige Beobachter sehen Liechtenstein als Land, das sich dank seiner Bündnisse und Kooperationen immer weiterentwickeln konnte, ohne die eigene Identität und Handlungsfreiheit aufs Spiel zu setzen. Beispiele sind heute die Mitgliedschaft im Europäischen Wirtschaftsraum und die Währungs- und Zollunion mit der Schweiz. Mit dem Zugang zum Europäischen Markt und der Stabilität des Schweizer Franken ist der Standort einzigartig für Investoren. Wie wichtig ist die Brückenfunktion zwischen der Schweiz und Europa für die Liechtensteinische Wirtschaft generell – und im Speziellen für den Finanzplatz aus?

Otmar Hasler: Liechtensteins Wirtschaft lebt vom Export seiner Güter und Dienstleistungen und kennt kaum einen Binnenmarkt. Der freie Marktzugang ist deshalb überlebenswichtig. Der Zollvertrag mit der Schweiz sowie die Zugehörigkeit zum Europäischen Wirtschaftsraum hat Liechtenstein optimal positioniert.

Der Finanzplatz profitiert von der politischen Stabilität, der hohen Qualität der Dienstleistungen, einer stabilen Währung und bietet nach wie vor einen hohen Schutz des Privateigentums. Die Zugehörigkeit zum Europäischen Binnenmarkt garantiert Liechtenstein die volle Dienstleistungsfreiheit in sämtlichen EWR-Staaten. So können zum Beispiel von Liechtenstein aus in Franken unterlegte Finanzprodukte im ganzen EU-Raum vertrieben werden. Wir sehen also, dass im Kleinstaat Aussen- und Innenpolitik eng ineinander greifen und die aussenpolitische Einbindung in grössere Verbünde entscheidend zum Wohlstand des Landes beiträgt.

300 years Liechtesnstein

Wichtige Modernisierungsschritte

Lange vor EWR und Zollunion war der Beitritt zum Rheinbund im Jahre 1806 ein wichtiger Schritt für das Fürstentum. Unter dem militärischen Schutz Napoleons wurde Europa moderner – auch Liechtenstein?

Otmar Hasler: Die Zeit im Rheinbund war für Liechtenstein tatsächlich eine Phase der Reformen. Fürst Johann I. war gewillt, das Land im Sinne des aufgeklärten Absolutismus auch gegen den Widerstand aus der Bevölkerung zu modernisieren. Einige Reformen waren für die Entwicklung des Landes äusserst wichtig. Dazu gehören die Einführung der allgemeinen Schulpflicht, die Aufhebung der Leibeigenschaft, die Einführung des Grundbuches, die Schaffung des Gemeindegesetzes im Jahr 1810 und die Einführung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB). Die angesprochene Kirchenreform unterstellte die Kirche der Aufsicht des Staates. Somit kann festgehalten werden, dass der Fürst eine entscheidende Rolle für die Modernisierung des Staates spielte.

In dieser Zeit wurden die Reformen durch den Fürsten vorangetrieben; ist er bis heute ein politischer Faktor geblieben?

Otmar Hasler: Mit der Schaffung der Verfassung von 1921 ging die Teilung der Staatsgewalt in Fürst und Volk einher. Die höchsten staatlichen Organe beziehen ihre Aufgaben und Kompetenzen aus der Verfassung und haben diese teils eigenständig, teils im Zusammenwirken wahrzunehmen. Der Landtag und die Regierung haben seither einen starken Einfluss auf die politische Entwicklung des Landes. Das Fürstenhaus bringt sich mit langfristig angelegten Reformvorstellungen in die Diskussion ein und stimmt sich in der Regel mit der Regierung ab. Diese auf das Zusammenwirken der Staatsorgane angelegte dualistische Verfassungsordnung verlangt nach Abstimmung und Kooperation der Staatsorgane und entwickelt so seine Stärke.

"Das Fürstenhaus bringt sich mit langfristig angelegten Reformvorstellungen in die Diskussion ein."

Otmar Hasler

Perspektiven: Liechtenstein in einer Welt im Wandel

Tradition ist wichtig für die Identität; aus ihr erwächst aber auch Kontinuität, die sich positiv auf die Wirtschaft auswirkt. Doch heute entwickelt sich die Welt so dynamisch wie noch nie. Was stimmt Sie positiv, dass Liechtenstein auch weiterhin einen unabhängigen Weg gehen kann und in einer Welt im Wandel auch weiterhin einen eigenen Weg findet?

Otmar Hasler: In einer Welt, in der die geographische Grösse und zunehmend auch die militärische Stärke immer weniger über Wohlstand und Sicherheit entscheiden, eröffnen sich dem Kleinstaat neue Möglichkeiten der Entfaltung. Kurze Entscheidungswege, eine gut funktionierende Vernetzung, die rechtzeitige Vorwegnahme von Entwicklungen etwa im Bereich der Digitalisierung, neuer Technologien in allen Lebensbereichen ermöglichen es einem Staat wie Liechtenstein sich erfolgreich zu positionieren und sich neuen Gegebenheiten immer wieder anzupassen. Ich bin überzeugt, dass uns das auch in Zukunft gelingen wird.

Danke für das Gespräch!

Tilmann Schaal Tilmann Schaal ist seit über 15 Jahren in digitaler Kommunikation tätig und verantwortete bis Mai 2019 den Blog Perspectives und zwischen 2012 und 2018 den News-Blog von The Classic Car Trust.

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