Brückenschlag in Bildern – Attenboroughs „Our Planet“

Jeden Freitag erinnern uns Schülerinnen und Schüler daran, dass die Erwachsenen vom Klimawandel womöglich überfordert sind. Die Psychologie begründet dies so: Auf unser Handeln gibt die Natur kein direktes Feedback. Als diffuse Bedrohung entzieht sich der Klimawandel damit unserer Erfahrungswelt. Stattdessen verharren wir eher in Ignoranz. Eine klassische Sackgasse?

Die Natur wie sie Sir David Attenborough seit Jahrzehnten zeigt, lässt sich nicht ignorieren. Er zeigt sie in seinen Dokumentationen als faszinierendes, bedrohtes, gleichsam widerstandsfähiges System. Mit der neuen Netflix-Serie „Unser Planet“ wird eine bisher ungeahnte technische Perfektion erreicht – und doch ergreifen uns diese Bilder. Ein beeindruckender Bildrausch, der gerade das Genre auf ein neues Level hebt. Im selben Moment führt Attenborough ohne lautstarken Alarmismus vor Augen, was auf dem Spiel steht, wenn die Menschheit nicht zurück zu einem nachhaltigen Umgang mit der Natur findet. Können diese Geschichten helfen, unsere Ignoranz zu überwinden und für den Schutz der Welt mit neuer Entschiedenheit tätig zu werden?

„Unser Planet“ – eine ergreifende Geschichte als Gegenentwurf?

Nicht wenige Experten halten Geschichten wie die von „Unser Planet“ für bedeutend für unsere Zukunft. Dabei berufen sie sich auf Erkenntnisse der Umweltpsychologie. Autor George Marshall zum Beispiel fordert ein neues Narrativs, einer positiven Geschichte, die der vorherrschenden Negativkommunikation ein positives Bild entgegensetzt – die Beschreibung eines nachhaltigen Miteinanders von Mensch und Natur. Dies führt Marshall in seinem gefeierten Buch „Don’t even think about it – Why brains are wired to ignore climate change“ aus.

Brückenschlag in Bildern – Attenboroughs „Our Planet“

Während Marshall die Psychologie dahinter erklärt, erzählt Sir Attenborough die Geschichten, die uns emotional mitreissen. Dabei reisen wir in acht Kapiteln von der Antarktis in die Urwälder, von der Hochsee in die Wüste. Wir schwimmen mit ihm in kalten Polarmeeren durch Schwärme von Pinguinen und Narwalen, gehen mit einem arabischen Leoparden auf die Jagd, sehen Gorilla-Familien an den Gestaden des Kongo grasen, entdecken in der scheinbaren Leere der Wüste vielfältiges Leben. So harsch und wild die Lebensverhältnisse auch sein mögen; überall auf der Welt hat die Natur Lebensräume erobert und sich meisterhaft den Umständen angepasst.

In ihrer Themenauswahl und in anderen wissenschaftlichen Fragen wurden die Filmemacher um Attenborough insbesondere vom WWF unterstützt. Die anerkannten NGO brachte ihre wissenschaftliche Kompetenzen so ein, dass aus der Serie nicht nur eine Visualisierung fantastischer Naturwunder oder eine Erklärung fundamentaler Bedrohungsszenarien wurde. Sie ist in all ihren Teilen eine grosse Geschichte von und über die Welt.

Attenborough am Weltwirtschaftsforum

Anlässlich des Weltwirtschaftsforums 2019 in Davos erlaubte Attenborough einen Blick hinter die Kulissen der Dokumentation und machte deutlich, wie sehr neue Technologien auch das Genre des Naturfilms verändert haben. „Ich begann, als es nur mich, den Kameramann und eine federbetriebene Kamera gab.“ Demgegenüber waren für die Serie „Unser Planet“, so liess er im Gespräch mit seiner königlichen Hoheit, dem Herzog von Cambridge, durchblicken alleine schon mehrere hundert Kameraleute beteiligt.

Für den 92-jährigen Tierfilm-Veteran hat der Aufwand aber auch neue Qualitäten hervorgebracht. Da die Serie über einen führenden Internet-Streamingdienst vertrieben wird, würde auf einen Schlag, so Attenborough, ein Publikum von 150 Millionen Zuschauern erreicht. Seine Filme richteten sich dagegen nur an wenige Millionen TV-Zuschauer im Süden Englands.  Neben der technischen Perfektion der Bilder und der Frage des Vertriebs geht es ihm dabei aber auch um Vermittlung: Mittlerweile lebe mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung abseits der Natur in Städten. Trotzdem wisse man heute mehr über die Natur. Dass bei „Unser Planet“ Informationsvermittlung und die emotionale Erfahrbarkeit von Natur einhergehen, macht die Serie zum Glücksfall; als Brückenschlag zwischen Mensch und Natur.

Sir Attenborough war auch nach Davos gekommen, um den Crystal Award entgegenzunehmen. Das Podium bei der Preisverleihung nutzte er für einen eindringlichen Appell. Die Menschheit habe sich unabsichtlich in eine Situation manövriert, in der das Handeln der Menschen plötzlich sehr grosse Auswirkungen auf unsere natürliche Lebensgrundlage habe. Anstatt sich dem Schicksal und der Schwermut hinzugeben sollte man sich der Möglichkeiten bewusst sein, mit denen wir Menschen dieser Situation begegnen könnten. „Was wir in den kommenden Jahren tun, wird grundlegenden Einfluss auf die kommenden tausend Jahre haben.“

Früher galt es die Welt zu erobern, so Attenborough beim WEF. Daraus folgerten viele Menschen irrtümlicherweise, dass Mensch und Natur im Widerspruch stünden. „Dem ist nicht so,“ sagte der 92-jährige entschieden. „Wir sind alle zusammen eine Welt.“ Dass Veranstaltungen wie das WEF, mit all seinen mächtigen Gästen, ein Forum für diese Frage bietet, erfülle ihn mit Optimismus.

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