Die Gründer von Familienbetrieben umgibt fast immer eine gewisse Aura. Doch was passiert, wenn so ein charismatischer Ruheständler zurück ins Unternehmen drängt? Genau das ist vor kurzem bei Benetton in Italien passiert: Der 82-jährige Modezar Luciano Benetton bekundete seine Absicht, ins operative Geschäft zurückzukehren. Vor diesem Hintergrund befragten wir unseren Verwaltungsrat Philip Marcovici dazu, wie man die Nachfolge in Familienbetrieben wohl am besten regelt.
Seit seinem Rückzug aus der juristischen Praxis, in der er fast 30 Jahre lang auch in der internationalen Anwaltskanzlei Baker & McKenzie tätig war, berät Philip Marcovici Familien, Unternehmen und Regierungen bei Fragen zur steuerlichen Compliance und der internationalen Steuerpolitik.
Frage: Sind Ihnen Fälle wie der von Luciano Benetton schon öfter begegnet? Zeugen sie nicht von ausserordentlicher unternehmerischer Leidenschaft? Schliesslich entspringen solche Familienimperien einer zündenden Idee ihrer Gründer, die das Unternehmen dann – oft jahrzehntelang – zum Lebensmittelpunkt machen.
Philip Marcovici: Die Rückkehr von Luciano Benetton in das Unternehmen, das er gegründet und inspiriert hat, ist ein Lehrstück für alle, die mit Familienbetrieben und Nachfolgeplanung zu tun haben. Bei Benetton sah die Sache so aus, dass das Unternehmen in jüngerer Zeit Probleme hatte. Ganz offensichtlich zielt die Rückkehr von Luciano Benetton darauf ab, einige der bahnbrechenden Ideen des Gründers wiederzubeleben. Ich habe tatsächlich schon viele Familienbetriebe gesehen, in denen über 80-Jährige eine zentrale Rolle spielten – so etwas kann zuweilen unglaublich gut funktionieren, wenn solche Mentoren eine jüngere Generation inspirieren. Es kann aber auch schaden – nämlich dann wenn die Alten die Jungen lähmen und eben keine angemessene Nachfolgeplanung betreiben, sondern zum Nachteil von Unternehmen, Familie und letztlich auch sich selbst nur möglichst lange am Drücker sitzen möchten.
Was Luciano Benetton angeht, scheint er sich darauf zu konzentrieren, seine Vision und seine Kreativität – die eindeutig gefehlt haben – im Unternehmen wiederzubeleben.
Frage: Nach dem Rückzug der Familie aus dem operativen Geschäft erklärte Luciano Benetton 2006, sein Sohn Alessandro werde ihm als Aufsichtsratsvorsitzender nachfolgen – wohl ein Hinweis auf mangelnde Eignung für eine eher operative Rolle. Aber Luciano ist nach wie vor Aufsichtsratschef, während Alessandro in der Finanzwirtschaft Karriere macht. Sieht das, von aussen betrachtet, nicht so aus, als wäre hier der ideale Zeitpunkt für die Übergabe des Unternehmens verpasst worden?
Philip Marcovici: Ich kenne die konkreten Umstände bei Benetton nicht, kann die dortige Nachfolgeplanung also nicht beurteilen, aber das Thema ist für alle Familienbetriebe wichtig und interessant. Im Fall Benetton scheint die Familie versucht zu haben, nach dem Börsengang die Kontrolle wiederzuerlangen. Die ursprüngliche Nachfolgeplanung war wohl so konzipiert, dass die Familie eine stille Eignerrolle statt einer aktiven Managementfunktion übernimmt. Damit ein solcher Nachfolgeansatz in einem Familienbetrieb funktioniert, müssen meiner Meinung nach zwei Voraussetzungen gegeben sein: Zunächst einmal müssen die nicht ins Unternehmen eingebundenen Familienmitglieder gut auf ihre Rolle als Eigentümer werden. Um als Eigentümer und Verwaltungsratsmitglied effizient zu sein, braucht man eine entsprechende Ausbildung – und die wird in vielen Eigentümerfamilien vernachlässigt.
Ausserdem muss zum frühestmöglichen Zeitpunkt ein professionelles Management eingesetzt werden, damit der Übergang von einem aktiv involvierten Familienmitglied wie Luciano Benetton zur neuen Führung so glatt wie möglich über die Bühne geht. Bei einem Unternehmen, das derart viel Kreativität erfordert wie ein Modehaus, sind professionelles Management und vor allem ein Kreativchef unerlässlich. Und im Übrigen muss die die Familie im Rahmen ihrer Vorbereitung auf die Eigentümerrolle auch lernen, wann das Management ausgetauscht werden sollte.
Frage: Was wäre also der ideale Zeitpunkt für einen Generationswechsel in Unternehmen? Was raten Sie Familienbetrieben?
Philip Marcovici: Mein Rat an Familienbetriebe lautet, von anderen Familien und deren mehr oder weniger erfolgreicher Nachfolgeplanung zu lernen. Tatsächlich gleicht hier natürlich kein Fall dem anderen. Der Prozess der Nachfolgeplanung ist nicht einfach, aber für den Erfolg des Unternehmens und zur Vermeidung der unzähligen Probleme, die eine schlechte Nachfolgeplanung unweigerlich nach sich zieht, ist er unverzichtbar. Denn solche Probleme belasten letztendlich nicht nur das Unternehmen, sondern häufig auch die familiären Beziehungen.
Eine gute Nachfolgeplanung ist ein kontinuierlicher Prozess, der jetzt beginnt. Man kann gar nicht früh genug damit anfangen. Der Nachfolgeplan sollte auch laufend geprüft werden und alle relevanten Was-wäre-wenn-Situationen abdecken. Was ist, wenn der beherrschende Gründer frühzeitig stirbt? Was ist, wenn der nominierte Nachfolger lieber seinen eigenen Betrieb führen will? Was ist, wenn das Unternehmen verkauft werden soll? Geht das? Wenn ja, wie? Was ist, wenn es zu Streitigkeiten in der jüngeren Generation kommt? Die Eigentümer von Familienbetrieben sollten sich diese und unzählige andere Fragen immer wieder stellen.
Noch eine abschliessende Frage: Wäre es nicht viel einfacher, wenn man einfach akzeptiert, dass ein so komplexer Prozess immer zu Streit führt? Oder gibt es doch Möglichkeiten, eine harmonische Nachfolge zu planen oder zumindest zu unterstützen? Wenn ja, wie?
Philip Marcovici: Mein Buch «The Destructive Power of Family Wealth» (erschienen 2016 bei John Wiley & Sons) enthält eine Reihe von Vorschlägen für Familien, die an einer Unternehmensnachfolge (und der eher passiven Vermögensnachfolge) arbeiten. Unter anderem empfehle ich Folgendes:
Ich glaube fest daran, dass bei guter Planung eine erfolgreiche und harmonische Unternehmensnachfolge möglich ist. Die jüngere Generation sollte im Idealfall in den Prozess eingebunden werden, und es gibt viele Familien, deren erfolgreiche Nachfolgepolitik Beispielcharakter hat.