Sie galt noch vor kurzem als eine der wichtigsten verschollen geglaubten Uhren. Am 26. Oktober 2017 jedoch fiel der Hammer und die teuerste Armbanduhr die bei einer Auktion verkauft wurde, wechselte für deutlich über 17 Millionen US-Dollar den Besitzer. Kein Sammlerstück tritt so spektakulär an die Öffentlichkeit, ohne dass dadurch nicht auch interessante Geschichten und Gerüchte zutage träten – insbesondere, wenn das Stück im Besitz eines so glamourösen Schauspielers wie Paul Newman war. Wir haben die wichtigsten zusammengetragen:
Wenige Blocks vom Central Park in Manhattans Plaza District und umgeben von exklusiven Luxusboutiquen, hatte das Auktionshaus Phillips eine besonders elegante Adresse für den Verkauf. Der Saal war mit 700 Besuchern erwartungsgemäss bis auf den letzten Platz gefüllt. Sofort nach bekannt werden der Auktion waren bei Phillips Reservierungen für den Event eingegangen; und an Telefon und im Internet verfolgten viele weitere Interessenten die Auktion.
Einer der Besucher im Saal war Uhrenexperte und Sammler Davide Parmegiani aus Lugano. Er wollte dabei sein, wenn die für ihn legendärste Uhr des zwanzigsten Jahrhunderts den Besitzer wechselt. Er ist sich sicher, für die allermeisten Sammler mechanischer Uhren wäre es sicher ein Traum, diese Uhr zu besitzen. Er wusste auch von einigen Interessenten, die ein Gebot platzieren wollten. Doch binnen kürzester Zeit war der Traum für die meisten geplatzt. Das Gebot sprang umgehend von einer auf zehn Millionen US-Dollar.
Parmegiani zeigt sich darüber nicht verwundert. Der Fachwelt sei gleich nach bekannt werden der Auktion Mitte 2017 klar gewesen, dass diese Uhr nur für einen besonders vermögenden Uhrenliebhaber erreichbar sein würde. Mit dem schnellen Erreichen des zweistelligen Millionenbereiches, so Parmegiani, war die Auktion ein intensives Bietergefecht. Doch ab dem Gebot von 12.5 Millionen seiner Beobachtung folgend nur noch zwei Interessenten beteiligt.
Ein Faktor für den hohen Kaufpreis war sicherlich auch die Inszenierung. Die Berichterstattung in Internet, Magazinen und Zeitungen bereitete den Boden für einen, nach Parmegianis Worten grossartigen Event. „Als ich sah, wie der Event organisiert war, zusammen mit der Atmosphäre und der Tatsache, dass Paul Newmans Tochter bei der Auktion zugegen ist, hatte ich sofort den Eindruck, dass die Uhr über 10 Millionen US-Dollar erreichen könnte. Kurz vor Auktionsbeginn schätzte er in einem Interview den Preis ohne Verkaufsgebühr auf 12.3 Millionen. Mit dieser Schätzung lag er dann nicht mehr weit vom tatsächlichen Preis entfernt.
Tatsächlich war die zum Verkauf stehende Uhr eine von mehreren Rolex Daytonas, die Paul Newman besass. Der zweifache Oscar-Preisträger Newman bekam aber eben diese Ende der 60er-Jahre von seiner Frau Joanne Woodward geschenkt. Zu dieser Zeit stand er für den Rennfahrerfilm „Winning“ vor der Kamera und auch in seiner Freizeit fuhr er Autorennen. In Sorge um den Ehemann liess Woodward „Drive Carefully Me“ auf den Boden der Uhr gravieren.
Tatsächlich trug er eben diese Uhr zu vielen Anlässen, bei denen er photographiert wurde. Das war am Steuer von Rennwagen ebenso wie bei Photo-Shootings für grosse Lifestyle- und Modemagazine oder in privater Umgebung. Gerade letztere prägten das Bild von Paul Newman – und von der Uhr an seinem Arm – eine besondere Version der Rolex Cosmograph Daytona 6239 mit dreifarbigem Zifferblatt und charakteristischer Nummerierung in Art Deco-Schrift.
Irgendwann begannen Uhrenhändler bei eben diesem Modell von der Paul Newman Daytona zu sprechen. „Es war eine Bombe, die auf der ganzen Welt explodierte,“ beschreibt Davide Parmegiani die Umbenennung. Jeder wollte zu dieser Zeit eine Paul Newman. Und damals war dies auch noch für viele erschwinglich: 1988 bekam man eine dieser Uhren in den USA für USD 1200 – 1300. Dabei achteten die Käufer allerdings häufig nicht genau auf die Details – schnell wurden alle Daytonas mit einem eher exotischen Zifferblatt als Paul Newman Daytona bezeichnet.
Daytona-Sammlungen gehören heute zu den interessantesten und wertvollsten Kollektionen im Vintage Business und besonders rar sind natürlich die, die sich auf Paul Newman Daytonas konzentrieren. Darüber hinaus steht diese Uhr nach Davide Parmegiani am Anfang eines viel breiteren Trends der dazu führte, dass sich der Markt für mechanische Uhren fortan sprunghaft entwickelte. – und die Paul Newman Daytona war bereits zum Anfang des Trends eine der Ikonen.
Der weitere Werdegang der jüngst versteigerten Daytona von Paul Newman blieb davon erst einmal unberührt. Paul Newman verschenkte sie im Sommer 1984 an einen Freund der Familie. An einem Nachmittag auf dem Newman’schen Anwesen, so berichtet es die New York Times, fragte der Schauspieler den College-Freund seiner Tochter Nell, James Cox nach der Uhrzeit. Gerade mit der Reparatur eines Baumhauses beschäftigt, hatte der aber keine Uhr zur Hand. Daraufhin gab ihm Newman die Rolex Daytona, nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Uhr ziemlich gut die Zeit anzeige – wenn er daran denke sie aufzuziehen.
„Für ihn war sie ein Werkzeug,“ beschreibt Nell Newman die Beziehung ihres Vaters zu der Uhr. Und auch der neue Besitzer Cox wusste lange nichts über deren Kultstatus. Ihm war sie über viele Jahre hinweg einfach eine schöne Erinnerung. Vor acht oder neun Jahren stellte er dann aber fest, dass es für die Uhr einen eigenen Wikipedia-Eintrag gab. Ihm wurde langsam bewusst, welch rares Stück er jahrelang an seinem Arm getragen hatte.
Der Entschluss zum Verkauf reifte dann über Jahre hinweg: Im Juni 2017 trat James Cox an die Öffentlichkeit und liess über das Auktionshaus Phillips mitteilen, dass die lange verschollen geglaubte Rolex versteigert würde. Die Rekordsumme wird nicht nur den bisherigen Eigentümer erfreuen. Ein grosser Teil des Verkaufserlöses wird der Stiftung von Nell Newman zugutekommen. Die Tochter von Paul Newman engagiert sich ähnlich wie ihr Vater philanthropisch. Ihr liegen insbesondere Umweltbelange am Herzen.
Das erfolgreiche Gebot für die Rolex Daytona ging laut Auktionshaus am Telefon ein. Uhrenexperte Davide Parmegiani vermutet, dass die Uhr an einen Sammler in Asien – insbesondere China – gegangen sein könnte. Er weiss aber von Gerüchten in der Szene, nach denen die Uhr von Rolex ersteigert wurde. Das wäre ein cleverer Schachzug, ist sich Parmegiani sicher. Für die legendäre Uhrenmarke begründet just diese Daytona den Ruf des Modells als Stilikone. Die Uhr als Aushängeschild zur Vermarktung kommender Daytona-Generationen zu verwenden, wäre eine kluge Marketing-Massnahme und damit sicher eine sinnvolle Investition, so der Uhrenexperte aus Lugano.
Wie auch in der Schmuckbranche leben die grossen Uhrenmarken davon, ihre Produkte im richtigen Moment am Arm einer berühmten Person zu positionieren. Rolex-Konkurrent TAG Heuer platzierte 1971 seine Monaco 1133 am Arm von Steve McQueen, als dieser ebenso cool wie Paul Newman einige Jahre zuvor im Film Le Mans über die Rennpiste brauste. Auch diese Uhr hat dadurch einen Kultstatus entwickelt. Vor einigen Jahren erreichte die original Filmuhr einen Preis von fast USD 800.000. Damals wie heute eine beträchtliche Summe und doch meilenweit vom Ergebnis der Paul Newman Daytona entfernt. Man mag bis heute darüber streiten, wer nun der King of Cool ist – vergleicht man die Uhren der beiden Herren geht der Wettbewerb eindeutig zugunsten Paul Newmans aus.
Dass die ikonenhafte Grösse der Uhr sich eher zufällig entwickelte, macht die Geschichte um die Paul Newman Daytona vielleicht noch sympathischer. Mit ihrer Rekordauktion zeigt sich wieder, dass der besondere Luxus sich nicht in Karat bemessen lässt, sondern von der lebendigen Geschichte abhängt, die hinter einem einzigartigen Sammelobjekt steht.
Fotos mit freundlicher Genehmigung von Phillips