Sie sind ein Weltenbummler – genauso wie Ihre Finanzdaten

Seit der Einführung des automatischen Informationsaustauschs (AIA) durch die OECD schicken 60 Länder vertrauliche Daten rund um den Globus. Später sollen es bis zu 100 Länder werden.

Philip Marcovici weiß, wie Sie in Zeiten der finanziellen Transparenz Ihre Privatsphäre schützen können.

F: Herr Marcovici, wir leben bereits in einer vernetzen Welt. Ist der automatische Informationsaustausch (AIA) nur ein weiteres Anzeichen dafür oder tatsächlich ein wichtiger Schritt hin zu größerer Transparenz unserer Finanzdaten?

Ich bin fest davon überzeugt, dass die Entwicklung zu einer transparenten Welt bereits begonnen hat – von diesem Ziel sind wir aber noch weit entfernt. Das bedeutet, dass wir beim Thema Transparenz in Bezug auf die Vermögens- und Ertragslage vermögender Familien noch einiges erwarten können. Ich habe stets die vollumfängliche Einhaltung der Steuergesetze gepredigt und Vermögenden erklärt, welche Vorteile es ihnen und ihren Familien bringt, “nach den Regeln zu spielen”. Andererseits habe ich versucht, den Banken und Treuhandgesellschaften die Bedürfnisse ihrer Kunden näherzubringen. Dabei war ich aber nicht immer erfolgreich – auch heute noch können einige Berater die Realität nicht akzeptieren. Der Weg hin zur Transparenz wird an vielen Stellen sicherlich steinig sein, und Vermögende müssen daher vorbereitet und geführt werden, um die vielen und teilweise sehr großen Stolpersteine umgehen zu können. Ich mache mir Sorgen über den Verlust an Privatsphäre, den der automatische Informationsaustausch und andere Initiativen für mehr Transparenz mit sich bringen. Es ist beunruhigend, dass die Regierungen viel mehr Informationen erhalten, als zur Kontrolle der Einhaltung der Steuergesetze erforderlich ist. Besorgniserregender ist allerdings, dass viele der Regierungen, die diese Informationen erhalten, einfach noch nicht für diese Art Informationen bereit sind, da ihre Steuer- und Rechtssysteme die Steuerzahler und deren Steuerdaten nicht ausreichend vor Missbrauch schützen.

F: Kritiker des AIA sagen, dass die Behörden mit der Flut an Informationen überfordert sind. Was würden Sie einer vermögenden Person empfehlen: Kann sie sich entspannt zurücklehnen?

Es ist korrekt, dass das Informationsvolumen, das bei den Regierungen über den automatischen Informationsaustausch (und über andere Kanäle, wie Berichte über verdächtige Aktivitäten im Rahmen der Anti-Geldwäsche-Gesetzgebung, die Steuerdelikte als Vortatbestand ansehen) eingehen wird, enorm sein wird. Nur wenige Länder werden diese Informationsmenge meistern. Es wäre aber ein Fehler zu glauben, dass Vermögende sich deshalb entspannen könnten. Die Regierungen werden mit den eingehenden Daten umzugehen lernen. Da sich die Zusammenarbeit zwischen Regierungen und Unternehmen kontinuierlich verbessert, wird auch die Verarbeitung großer Datenmengen immer einfacher. Die Regierungen werden schon in kurzer Zeit damit beginnen, an überführten Steuersündern Exempel zu statuieren. Daher sollten sich Vermögende an die Steuergesetze halten, damit sie sich wirklich entspannt zurücklehnen können – sofern sie wissen, wer auf welche Daten über sie zugreifen kann.

F: Warum sollte man mit seinem Vermögensberater über den AIA sprechen?

Eines der wichtigsten Dinge für einen Vermögenden beim Schutz des Menschenrechts auf Privatsphäre und gleichzeitiger Einhaltung der Steuergesetze ist zu prüfen, wer welche Informationen über ihn selber, seine Familie sowie die Einkommen und Vermögenswerte erhält, an denen sie beteiligt sind. Hat ein Vermögender mehrere Bankkonten, von denen einige strukturiert und andere nicht strukturiert sind und die verschiedenen Gerichtsbarkeiten unterliegen, dann muss sich der Vermögende mit seinem Vermögensberater abstimmen und sicherstellen, dass sämtliche Vermittler über die richtigen Informationen zum wirtschaftlichen Eigentum und zum Wohnsitz (sowie zur Staatsbürgerschaft) verfügen, und klären, welche Informationen in welche Länder gehen. Zahlreiche Banken und andere Finanzintermediäre sind aufgrund der Regeln verunsichert. Wenn dann noch Treuhandgesellschaften und Stiftungen ins Spiel kommen, können die Informationen über “Kontrollpersonen” dazu führen, dass die falschen Informationen in den falschen Ländern landen und bedeutsame Rechtsstreitigkeiten aufkommen. Dieser Punkt sollte sofort geprüft werden, um sicherzustellen, dass ein gemeinsames Einvernehmen darüber besteht, welche Informationen wohin übermittelt werden. Ich habe auch Banken und Treuhandgesellschaften erlebt, die sich mehr Sorgen um ihre eigene Position als um die ihrer Kunden gemacht haben. Das kann dazu führen, dass mehr Informationen übermittelt werden, als das Gesetz verlangt. Die Art, wie Strukturen wie Treuhandgesellschaften und Stiftungen funktionieren, sowie deren Standort usw. können den Informationsfluss signifikant beeinflussen. Jeder Vermögende sollte eine steuerrechtliche Complianceprüfung und eine Datenschutzprüfung durchführen – eine Art Gesundheitscheck, bei dem festgestellt wird, ob der Vermögende und seine Familie die Steuergesetze einhalten und ob die richtigen Länder über den automatischen Informationsaustausch die richtigen Informationen erhalten.

F: Falls der automatische Informationsaustausch Informationen über verschiedene Strukturen und Beteiligungen ans Licht bringt, ist eine freiwillige Offenlegung der richtige Weg, die Situation zu klären?

Es ist definitiv zum Vorteil der Familien, schnellstmöglich die freiwillige Offenlegung oder andere Ansätze zur Regulierung ihrer Steuerangelegenheiten zu nutzen, falls dies ihre jeweilige Situation erfordert. Viele Länder bieten attraktive Möglichkeiten zur freiwilligen Offenlegung, und auch andere Länder arbeiten vor dem Hintergrund des automatischen Informationsaustauschs neue Ansätze zur freiwilligen Offenlegung aus. Für Vermögende ist es immer die bessere Idee, proaktiv Probleme im Zusammenhang mit nicht deklarierten Vermögenswerten und Einkünften anzugehen, als darauf zu warten, dass die Steuerbehörden auf Basis der erhaltenen Informationen Untersuchungen anstellen.

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Philip Marcovici

Vorstandsmitglied der Kaiser Partner Holding und der angeschlossenen Unternehmen

Seit seinem Rückzug aus der juristischen Praxis, in der er fast 30 Jahre lang auch in der internationalen Anwaltskanzlei Baker & McKenzie tätig war, berät Philip Marcovici Familien, Unternehmen und Regierungen bei Fragen zur steuerlichen Compliance und der internationalen Steuerpolitik.

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