Wann ist der richtige Zeitpunkt, meine Kinder über das Familienvermögen zu informieren?

Viele Vermögende tun sich schwer, mit ihren Kindern offen über ihr Vermögen zu sprechen, wie vermögend die Familie ist. Wenn Kunden auf uns als Treuhänder und Berater zukommen und danach fragen, wann der beste Zeitpunkt dafür wäre, die neue Generation darüber zu informieren, so deuten wir diese Frage als Zeichen dafür, dass sie von uns Orientierung erhoffen.

Je nach Fall können wir helfen äussere Faktoren und die familiäre Situation einzuschätzen, gewinnen so ein tieferes Verständnis davon, welche Rolle das Vermögen in der Familie generell spielt und welche Bedürfnisse und Risiken damit konkret einhergehen. Auf Basis dieser Einsichten können dann passende Massnahmen entwickelt werden, damit Familien zuversichtlicher in die Zukunft schauen können.

Wenn äussere Faktoren zum Handeln zwingen

Zu den weniger erfreulichen Seiten vieler Vermögender gehört, dass Sicherheit wichtiger wird. Im Hintergrund kann vieles adressiert werden – dazu können unsere Berater zum Beispiel mit einer entsprechenden Vermögensstrukturierung beitragen. Doch können Vorkommnisse von aussen Massnahmen notwendig werden lassen, die für alle deutlich sicht- oder spürbar. Spätestens dann bedarf es einer stichhaltigen Begründung gegenüber allen Familienmitgliedern. Schliesslich entfalten solche Massnahmen nur dann ihre Wirkung, wenn sie von allen verstanden und mitgetragen werden. Und das kann dann auch bedeuten, die Nachkommen zumindest in groben Zügen über die Vermögenssituation zu informieren.

Ebenso plötzlich kann ein tragisches Vorkommnis die Vermögensnachfolge in den Mittelpunkt der Familie rücken. In diesen schwierigen Zeiten ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass falsche Entscheidungen – ob von Emotionen geleitet oder unter Zeitdruck gefällt – getroffen werden. Zu den möglichen Folgen gehört die Bedrohung des Familienvermögens gerade dann, wenn noch keine Nachfolgeregelung festgelegt wurde oder die Dringlichkeit der Vermögensnachfolge aus Nichtwissen verkannt wird.

Wann ist der richtige Zeitpunkt, meine Kinder über das Familienvermögen zu informieren?
Schützen Sie Ihre Familie vor "Goldgräbern."

Ein weiterer Sicherheitsaspekt, der von aussen zum Handeln zwingen kann, ist der Schutz des Vermögens vor falschen Freunden von Familienmitgliedern – oft auch Goldgräber genannt. Wenn Eltern mit dem wachsenden Alter der Kinder einen geringeren Einfluss auf deren Umfeld haben wird umso wichtiger, dass sie schon vorher verstanden haben, dass andere Menschen nicht immer nur an ihnen als Person interessiert sind. Sollte die Familie in der Öffentlichkeit mit ihrem Vermögen in Zusammenhang gebracht werden, so sollten die Kinder verstehen lernen, dass Freunde unter Umständen womöglich auch von ihrem Status oder Vermögen profitieren wollen.

Wie halten sie es mit dem Vermögen? Zwei Familien als Beispiele

Es gibt also unterschiedliche Situationen, bei denen eine Orientierung der Nachkommen über das Familienvermögen aufgrund äusserer Faktoren nötig wird. Schauen wir nun aber auf zwei vermögende Familien. Beide haben aufgrund der Kultur innerhalb der Familie ihren eigenen, individuellen Umgang in dieser Frage entwickelt haben. Basierend auf öffentlich verfügbaren Quellen spüren wir diesen Beispielen nach, welche Rolle Vermögen innerhalb dieser Familie spielt und welche Rolle die Nachkommen dabei spielen.

Das Unternehmen als Zentrum der Familie

Wolfgang Grupp gehört zu Deutschlands bekanntesten Unternehmern. Er leitet das Textilunternehmen Trigema, das seit 1919 in Familienhand ist. Im Gegensatz zur Konkurrenz produziert es ausschliesslich in Deutschland. Grupps Festhalten am Standort, gepaart mit seiner Eloquenz und seinen prononcierten Ansichten in Wirtschafts- und Gesellschaftsfragen haben ihn zu einer Persönlichkeit öffentlichen Interesses gemacht. In feinstem Zwirn schimpft er in Talk-Shows über Banker und Manager, arbeitet sich an moralischen Fragen ab, fordert von seinen Mitarbeitenden öffentlich Disziplin und Gehorsam ein. Ebenso ist er für seine 1200 Mitarbeitenden und ihre Familien fürsorglicher Patron. Er und seine Familie bezeichnen die Belegschaft als Betriebsfamilie und Wolfgang Grupp will stets mit gutem Beispiel vorangehen. Die Grenzen zwischen Familie und Unternehmen verschwimmen. Was geschäftlich relevant ist hat auch private Auswirkungen – und umgekehrt.

Wann ist der richtige Zeitpunkt, meine Kinder über das Familienvermögen zu informieren?
Der deutsche Unternehmer Wolfgang Grupp.

Lange Zeit liess das medial vermittelte Bild keinen Zweifel daran: Trigema ist eine One-Man-Show. Doch mittlerweile zeigt sich ein differenzierteres Bild. Auch mit Mitte 70 energiegeladen und hellwach, thematisiert Wolfgang Grupp auch die Unternehmensnachfolge bei Trigema. Seit den Jahren 2013/2014 sind die beiden Kinder Bonita und Wolfgang junior im Betrieb tätig. Zwar waren sie bereits als kleine Kinder viel im Unternehmen präsent, doch verbrachten sie die Schulzeit bald im Internat in der Schweiz und gingen für fünf Jahre zum Studium nach London. Trotz der räumlichen Trennung pflegte die Familie engen Kontakt. Zum Ende des Studiums macht der Vater ihnen dann das Angebot, beim elterlichen Betrieb einzusteigen – und die Kinder sagten zu.

Von langer Hand geplant: die Gruppsche Unternehmensnachfolge

Dass eines der Kinder irgendwann einmal das Unternehmen übernimmt, diese Hoffnung hat Wolfgang Grupp immer wieder öffentlich betont. Ob Sohn oder Tochter die Geschäfte übernehmen wird, das will der Vater noch nicht entscheiden. Grundsätzlich hält er es aber für selbstverständlich, dass er seinen Kindern mehr vertraue als von aussen kommenden Managern.

Dass die Kinder ins Unternehmen finden bedeutet auch, dass sie mehr und mehr Einblick ins Unternehmen bekommen. Ob oder wie weit sich das auch auf die finanziellen Aspekte innerhalb des Unternehmens bezieht, dazu gibt es seitens der Familie keine öffentlichen Äusserungen. In ihren jetzigen Positionen erscheint ein umfassender Einblick ins Finanzielle (noch) nicht zwingend. Ohnehin fungiert, so Wolfgang Grupp, seine Frau Elisabeth bis auf weiteres als seine Stellvertreterin für den Fall, dass ihm etwas zustosse.

Der Wall Street so fern: als Sohn eines Milliardärs im Mittleren Westen

Vom ländlichen Süden Deutschlands in den Mittleren Westen der USA: Peter Buffet wuchs in Omaha, Nebraska als eines von drei Kindern des amerikanischen Grossinvestors Warren Buffet auf. Der Musiker und Buchautor gab vor einiger Zeit in einem Radio-Interview einen interessanten Einblick unter anderem darüber, wie er vom Vermögen des Vaters erfuhr.

Seine Jugend schilderte Peter Buffet als das eines ganz normalen Kindes der gehobenen Mittelklasse: Das Elternhaus ist seit jeher das, welches Vater Warren vor über einem halben Jahrhundert gekauft hatte. Die drei Kinder gingen alle in eine öffentliche Schule die bereits die Mutter besucht hatte. Den Vater erlebte Sohn Peter als einen, der ausgesprochen viel las und seine berufliche Tätigkeit hatte für ihn etwas „Mysteriöses“. „Wir wussten nicht so recht was mein Vater tat,“ so Peter Buffet im Interview. Offensichtlich war der kometenhafte Aufstieg des Vaters zum Grossinvestor lange Zeit nicht in die heimischen Wände vorgedrungen. „Wir wuchsen nicht in einem Umfeld auf, das Vermögen öffentlich zur Schau stellt.“ Seinem Vater, so Peter Buffet, war wichtiger, dass die Kinder ihren Interessen folgten. „Mach was Du liebst, das ist das wichtigste,“ erinnert sich Peter Buffet seinen Vater sagen.

Philanthropie als wichtiges Bindeglied

Als junger Erwachsener bekam Peter von seinem Vater erstmals Geld, das er für ein philanthropisches Projekt seiner Wahl anlegen sollte. Später bekam er eine deutlich grössere Summe dafür und so fing er an sich zu fragen, wo denn all dieses Geld herkam. „Ich war vielleicht 25,“ schätzt Peter Buffet, als er seinen Vater um Informationen zu seinem Unternehmen bat. Der sandte ihm Unterlagen zu Berkshire Hathaway’s und beantwortete Peter bereitwillig alle Fragen. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte das Lebens von Peter bereits eine Richtung weg von Berkshire Hathaway eingeschlagen: „Wir beide wussten, dass das nichts war, wofür ich brennen würde.“

Wann ist der richtige Zeitpunkt, meine Kinder über das Familienvermögen zu informieren?
Niederlassung eines Berkshire Hathaway Tochterunternehmens in Vail, Colorado (USA).

Auch die beiden Geschwister wollten laut Peter Buffet nicht dem Vater nachfolgen. Trotzdem hat Peter keinen Druck von Vater Warren erfahren: „Er drängte in keiner Weise“ so der Sohn im Interview, um dann zu Bedenken zu geben: „Die Wahrscheinlichkeit, einen Sohn oder eine Tochter zu haben, die die gleiche Leidenschaft, Begeisterung und denselben Drive wie der Unternehmensgründer oder Nachfolger entwickeln, ist unglaublich klein.“

Das was über die Familie bekannt ist legt nahe, dass auch Vater Warren dieser Ansicht ist. Bekanntermassen hat er einen grossen Teil seines Vermögens der Initiative von Bill Gates „The Giving Pledge“ vermacht. Eine weitere Milliarde US-Dollar des Vaters haben die Kinder bereits in eigene Philanthropie-Projekte investiert. Und was passiert mit Berkshire Hathaway? Über die Unternehmensnachfolge, so Peter Buffet, müsse man sich keine Sorgen machen. Ohne in konkrete Planungen eingeweiht zu sein wisse er, dass sein Vater diese Dinge sehr gewissenhaft plane.

Wann ist die richtige Zeit? Eine Antwort über Umwege…

Wann genau der ideale Zeitpunkt ist, um die Nachkommen über das Familienvermögen in Kenntnis zu setzen, diese Frage bleiben beide Beispiele aus einem Grund schuldig. In beiden Familien hat sich diese Frage offensichtlich (noch) nicht gestellt. So unterschiedlich deren Biografien sind – die Kinder beider Familien haben sich über Jahre hinweg im Rahmen eines Wertegebäudes der Familie entwickelt und ihre eigene Rolle gefunden.

Dass im einen Beispiel beide Kinder ins elterliche Unternehmen eingebunden sind, während im anderen die Kinder beruflich in verschiedenste Richtungen streben zeigt, dass dieses Wertegebäude enger oder offener gefasst sein kann. Doch in beiden Beispielen stiften Werte über das Monetäre hinaus Sinn und Orientierung für die Familienmitglieder. Und doch sind sie flexibel genug, dass sich jeder gemäss seinen Vorstellungen und Fähigkeiten entwickeln kann.

Die familiären Werte sind auch für die Berater von Vermögenden und ihren Familien ein zentraler Bezugspunkt, nicht nur aber auch bei der Nachfolgeplanung. Diese normativen Vorgaben helfen dann Regelungen zu entwickeln, die für alle Familienmitglieder nachvollziehbar sind. Denn ob das Familienvermögen gemäss gewisser Leistungen einzelner Mitglieder, nach individuellen Bedürfnissen oder strikt mathematisch nach gleichen Teilen weitergegeben wird; das hängt von dem ab, was in der jeweiligen Familie gelebt und akzeptiert wird. Damit kann Streit in der Familie vermieden werden, der nur zu oft Ausgangspunkt für die Zerstörung des Familienzusammenhalts und des Familienvermögens ist.

"Liegt der Fokus darauf, anderen zu helfen, ist es einfacher, die Familienmitglieder zusammenzubringen."

Philip Marcovici, Verwaltungsratsmitglied Kaiser Partner

Gerade das Beispiel der Familie Buffet ist ausserdem aufschlussreich dafür, welch positive Rolle Philanthropie für vermögende Familien spielen kann. Für Peter Buffet war dies zum Beispiel Anlass, sich mit dem Vermögen und dem Unternehmen des Vaters eingehender zu beschäftigen. Aber auch, wenn sich die Nachkommen nicht einig sind, kann Philanthropie einen positiven Beitrag leisten, so Philip Marcovici, Board Member bei Kaiser Partner und Autor des Buches „The Destructive Power of Family Wealth“: „Manchmal ist es schwierig, dass die junge Generation für das Familienunternehmen oder bei den Investments der Familie gemeinsam an einem Strang ziehen. Liegt der Fokus darauf, anderen zu helfen,“ so der Vermögensexperte, „ist es einfacher, die Familienmitglieder zusammenzubringen.“

Gegenüber dem Zeitpunkt des „Moment of Truth,“ den die zentrale Frage unseres Artikels versinnbildlicht, steht die Anschauung, dass die Vermögensnachfolge ein Prozess ist. Die neue Generation sollte idealerweise in ihre neue Rolle hineinwachsen, wobei die familiären Werte nicht nur ein wichtiger Teil der familiären Identität sind sondern auch den Handlungsrahmen für die Nachfolge definieren.

Diesen Handlungsrahmen entwickeln zu helfen, ist für unsere Berater je nach Familiensituation eine wichtige Aufgabe. Im Idealfall entsteht unter den Familienmitgliedern ein geneinsames Bewusstsein für das was ihre Familie ausmacht. Das hilft letztlich auch nachzuvollziehen, wie über das Vermögen im Sinne der Familie und ihrer Mitglieder verfügt wird. In dieser Gewissheit kann sich die kommende Generation entwickeln; unabhängig davon, ob sie umfassendes Wissen über das Familienvermögen hat oder nicht.

Diesen Handlungsrahmen entwickeln zu helfen, ist für unsere Berater je nach Familiensituation eine wichtige Aufgabe. Im Idealfall entsteht unter den Familienmitgliedern ein gemeinsames Bewusstsein für das was ihre Familie ausmacht. Das hilft letztlich auch nachzuvollziehen, wie über das Vermögen im Sinne der Familie und ihrer Mitglieder verfügt wird. In dieser Gewissheit kann sich die kommende Generation entwickeln; unabhängig davon, ob sie umfassendes Wissen über das Familienvermögen hat oder nicht.

"Liegt der Fokus darauf, anderen zu helfen, ist es einfacher, die Familienmitglieder zusammenzubringen."

Philip Marcovici, Verwaltungsratsmitglied Kaiser Partner
Benedikt Kaiser (1982) Er verfügt über berufliche Erfahrungen der Strategieberatung sowie in Finanzen und Kunst. Bei Kaiser Partner hat er federführend die Responsible-Investing-Strategie mit aufgebaut und kümmert sich heute schwerpunktmässig um den Ausbau des Multiclient-Family-Offices und des US-Geschäftes.

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