Weltraumtourismus: Die Welt ist nicht genug

Wem die Welt von den Wüsten bis zum zum Mount Everest kein geeignetes Reiseziel mehr bietet, der findet im Weltraum womöglich eine exklusive touristische Destination. Bis jetzt stand sie hauptsächlich Reisenden im Dienste der Wissenschaft offen. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von Projekten, die die Realisierung von Weltraumtourismus in grösserem Stil zum Ziel haben. Doch welche sind tatsächlich realistisch? Das könnte sich in den kommenden zwei Jahren zeigen.

Die Geschichte des Weltraumtourismus ist noch relativ jung. Erster zahlender Weltraumfahrer war Dennis Tito. Der Amerikanische Ingenieur und Unternehmer investierte mehrere Monate intensiven Trainings in Russland und 20 Millionen US-Dollar, um 2001 an Bord einer Russischen Sojuz-Kapsel zur internationalen Raumstation ISS zu reisen. Er blieb fast 8 Tage und zeigte sich danach tief bewegt. „Die Erde zum ersten Mal vom Weltraum aus zu sehen ist wahrscheinlich die beeindruckendste Erfahrung meines Lebens“ schilderte er dem TV-Moderator David Letterman seine Eindrücke wenig später.

Weltraumtourismus: Die Welt ist nicht genug

Das Unternehmen, das Tito dabei begleitete ist Space Adventures aus den USA. Es hat mittlerweile einigen zahlenden Gästen einen Mitflug in einer russischen Sojuz-Kapsel zur ISS ermöglicht und bietet die Vermittlung dieser äusserst raren Mitfluggelegenheiten weiter an. Recht neu im Programm ist ein Weltraumspaziergang oder die Umrundung des Mondes. Weniger solvente Kunden können ein Astronautentraining buchen, bei einem Parabelflug die Schwerelosigkeit spüren oder einen Raketenstart aus nächster Nähe beobachten. Da die Systeme eigentlich nicht auf den Mitflug von Touristen ausgelegt sind, bedarf es neben viel Geld einer eingehenden Vorbereitung und einer ordentlichen Portion Glück, hier mitfliegen zu können

Was einen Weltraumtouristen erwartet

Wer in den nächsten Jahren als Privatperson mit einem der neuen Anbieter in den Weltraum fliegen will, muss sich allerdings nicht mehr nach Zentralasien zum Kasachischen Startplatz der Sojus-Rakete aufmachen. Die neuen Anbieter starten vor allem im Südwesten der USA. Für den Trip ins All bedarf es lediglich einer guten Gesundheit, 250.000 US Dollar und ein paar Tage Zeit zur Vorbereitung. Die eigentliche Reise dauert aber nur wenige Stunden.

Die neuen Angebote der kommenden Jahren verdanken wir dem Optimismus und Durchhaltevermögen unter anderem von Amazon-Gründer Jeff Bezos und Tesla CEO Elon Musk. Anfangs der 2000er-Jahre holten sie zur touristischen Eroberung des Weltraums aus und gründeten dafür Blue Origin (Bezos) und Space Exploration Technologies (jetzt SpaceX). 2004 gesellte sich das Britische Multitalent Richard Branson mit Virgin Galactic hinzu.

Weltraumtourismus: Die Welt ist nicht genug

Andere Mitbewerber mussten sich aber geschlagen geben. XCOR Aerospace hat im Mai 2016 die Entwicklung seiner Weltraumfähre inklusive Ambitionen in Sachen Weltraumtourismus eingestellt. Swiss Space Systems ist seit kurzem insolvent. Befeuert wurde der Wettbewerb durch ein Förderprogramm der NASA. Nach dem Ende des Spaceshuttle-Programms wurden private Unternehmen unterstützt, die an neuen Systemen für die bemannte Raumfahrt arbeiten. Ziel der Förderung ist es, wieder mit einem US-Raumschiff zur ISS fliegen zu können anstatt auf russische Systeme angewiesen zu sein.

Drei Wettbewerber – zwei Konzepte

Im Gegensatz zur spartanischen Sojuz-Kapsel, von Tito, werden die neuen Weltraumfahrzeuge für den privaten Flug ins All deutlich komfortabler sein. Ausserdem wird die Wiederverwendbarkeit der Systeme Standard. Wer mit Blue Origin und SpaceX ins All fliegt, muss nicht auf den Thrill eines Raketenstarts verzichten. Ihre Kapseln werden an der Spitze von wiederverwendbaren Trägerraketen ins All getragen und gleiten dann gebremst von Raketen und Fallschirmen zurück zur Erde. Besonders ist, dass die Raketen zukünftig senkrecht landen. Das System von Virgin Galactic startet und landet dagegen wie ein Flugzeug horizontal. Der Raumgleiter mit den Touristen wird von einem Trägerflugzeug in eine Höhe von rund 15km getragen und dann abgekoppelt. Dann geht es per Raketenantrieb in den Orbit.

Blue Origin: Bezos schweigsamer Senkrechtstarter

Das Unternehmen Blue Origin von Amazon-Gründer Jeff Bezos wurde im Jahr 2000 gegründet. Ihr New Shepard-System startet in einem Wüstengebiet im Westen von Texas. Bis 2018 scheint es gute Karten für die Realisierung erster bemannter Flüge zu haben. Bisher drangen nur wenige Informationen nach aussen. Bekannt sind knapp über zehn Testflüge mit Antriebssystem und Crewkapsel – einer davon scheiterte. Ein Test des Rettunhgsmechanismus verlief positiv. Ab 2015 erreichen die Systeme von Blue Origin den Weltraum- per Definition alles über einer Höhe von 100 km. Ein Zeichen für die baldige Aufnahme für bemannten Weltraumflüge? Dazu verweigert das Unternehmen freundlich und bestimmt jede Aussage.

Weltraumtourismus: Die Welt ist nicht genug

Für den Erlebnistripp ins All scheint Jeff Bezos’ Raumfähre New Shepard besonders prädestiniert: Sie verfügt über extra-grosse Fenster, die Weltraumtouristen einen weiten Blick auf den Erdball und den Weltraum eröffnen – eine mobile Aussichtsplattform im Orbit. Nach vier Minuten Schwerelosigkeit kehrt die Kapsel zurück auf die Erde. Gebremst von Raketen und Fallschirmen landet sie nahe des Startpunktes. Mehrere Quellen rechnen damit, dass Blue Origin 2017 erste bemannte Flüge ins All absolvieren könnte und 2018 erste kommerzielle Weltraumtrips folgen. Ein grösseres Nachfolgesystem für New Shepard ist in Planung und soll 2019 erstmals zu Testzwecken starten.

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Virgin Galactics futuristischer Spaceport America

Mitten in der Wüste Neumexikos liegt ein grosser futuristischer Gebäudekomplex wie eine riesige Muschel im Sand: Spaceport America. Er öffnet sich auf einer Seite zu einem Flugfeld hin. Vom renommierten Architektenbüro Foster & Partners gestaltetet, soll das multifunktionale Gebäude zukünftig ein integraler Bestandteil der Weltraumtrips von Virgin Galactic sein. Hier sollen die Weltraumtouristen vor dem Start ein dreitägiges Vorbereitungstraining durchlaufen. Im selben Gebäude befindet sich der Hangar für die Raumfähre VSS Unity samt Trägerflugzeug WhiteKnightTwo.

Da das System horizontal wie ein Flugzeug startet, braucht es statt einer Abschussrampe nur eine gewöhnliche Startbahn. Hier startet die WhiteKnightTwo, unter deren Tragfläche VSS Unity mit 2 Piloten und 6 Weltraumreisenden eingeklinkt ist. Nach einigen Minuten Steigflug wird der Raumgleiter abgetrennt und fliegt mit über dreifacher Schallgeschwindigkeit in den erdnahen Weltraum in 100 km Höhe. Zum Wiedereintritt in die Erdatmosphäre klappt VSS Unity zeitweise die Tragflächen ab. Dadurch werden die hohen thermischen Belastungen beim Flug durch die oberen Schichten der Atmosphäre reduziert. In geringerer Höhe werden die Flügel wieder in ihre ursprüngliche Position bewegt. VSS Unity landet nach dreieinhalb Stunden komfortabel wie ein konventionelles Flugzeug auf der Landebahn von Spaceport America.

Seit Sommer 2016 absolviert VSS Unity Testflüge. Es ist die zweite Raumfähre von Virgin Galactic. Der Vorgänger ist aufgrund eines Pilotenfehlers im Flug explodiert. Die Crew verlor ihr Leben, das ganze Projekt wurde um Monate zurückgeworfen. Trotz des Unfalls sind laut Medienberichten 800 Personen interessiert mit Virgin Galactic ins All zu fliegen; darunter Stephen Hawking, Brad Pitt, Tom Hanks, Lady Gaga, Justin Bieber, Leonardo DiCaprio und Katy Perry.

SpaceX will weiter

Elon Musk ist nicht gerade dafür bekannt, arm an Visionen zu sein. Als er das Unternehmen SpaceX 2002 gründete schien das Ziel, als privates Unternehmen bemannte Weltraumflüge durchzuführen äusserst ambitioniert. 100 Millionen US Dollar war ihm diese Idee wert. 2017 oder 2018 könnten die ersten Flüge durchgeführt werden. Für ihn scheint das Geschäft mit den Weltraumtouristen vorerst nicht mehr interessant zu sein. Für die NASA versorgt SpaceX mit dem Raumfrachter Dragon die ISS mit Material.

Für bemannte Flüge wird der Frachter zur Raumkapsel Dragon V2 mit Platz für bis zu 7 Astronauten weiter entwickelt; im Gegensatz zu den Konzepten von Virgin Galactic und Blue Origin sind dabei nicht die Details vorgesehen, die dem Weltraumtouristen zu einem eindrucksvollen Trip verhelfen: Das sind in erster Linie viele möglichst grosse Fenster, die einen guten Blick in den Weltraum und auf die Erde bieten würden. Mit der Raumkapsel von SpaceX könnte die NASA erstmals seit Ende des Spaceshuttle-Programms wieder Astronauten von amerikanischem Boden aus auf die ISS schicken.

Elon Musk hat sich allerdings schon neue Ziele gesteckt. Im September 2016 hat er den Mars zum Ziel. Eine unbemannte Mission soll 2018 starten, eine bemannte könnte 2024 folgen. Dafür plant Musk ein riesiges wiederverwendbares Raketensystem für 450t Ladung oder für eine 50m lange Kapsel für bis zu 100 Astronauten. Je nach Planetenkonstellation wird die Reise 80 bis 150 Tage dauern. Interessierte Mitflieger sollten allerdings Experten für Raketentreibstoff oder ähnliches sein. Mit den ersten Flügen, so der Plan, wird eine Produktionsstätte für Raketentreibstoff auf den Roten Planeten aufgebaut.

Musk will einen Linienbetrieb zum Mars starten. Der Planet könnte sich langfristig als Zwischenstation u weiteren Reisen ins All etablieren. In 10 Jahren, so Musks mutige Ansage, soll jeder für 500’000 US Dollar zum Erdnachbarn reisen können. Das Szenario von SpaceX konzentriert sich allerdings ausschliesslich auf den Transport von und zum Mars. Wie der Mars besiedelt werden kann und ob daraus womöglich eine Tourismusdestination werden könnte – dies will er anderen überlassen. Fachleute halten die Pläne Musks grundsätzlich für machbar. Hinterfragt wird von vielen Experten jedoch die finanzielle Machbarkeit und der zeitliche Horizont.

Weltraumtourismus: Die Welt ist nicht genug

Mars One will Marsbesiedlung im Reality TV inszenieren

Der Frage der Besiedlung will sich der Deutsche PR-Berater Moritz Hunzinger annehmen. Jüngst hat er sein Fintech-Unternehmen in eine Agentur zur Besiedlung des Mars umgebaut und dazu das Unternehmen Mars One gekauft. Technische Kompetenzen hat es keine, diese sollen eingekauft werden. Finanzieren soll sich das laut Unternehmen 6 Milliarden teure Projekt wie eine Casting-Show. Anfänglich war das Interesse an einem Flug zum Mars in ständiger Begleitung von TV-Kameras gross – mittlerweile, so Medienberichte, springen viele Bewerber wieder ab, wohl auch weil Mars One keinen Rückflug zur Erde plant. Wann die Kandidaten des Programms abheben werden, ist unklar. Der Starttermin wurde von anfangs 2022 auf 2031 verschoben, auch aufgrund mangelnder Finanzierung. Experten rechnen mit höheren Kosten. Ob der jüngste Börsengang eines Teils von Mars One genug Geld in die Kassen gespült hat, ist zu bezweifeln. Zudem haben Ingenieure des MIT viele technische Aspekte des Unternehmens deutlich in Frage gestellt.

Mit seiner umfassenden medialen Verwertungsstrategie steht Mars One, wenn man es kritisch betrachten will, für eine Trivialisierung eines Vorhabens, das die Menschheit bis dato an die Grenzen des Machbaren gebracht hat. Denn trotz aller Technologie bleiben immer Risiken. Doch gerade weil die Eroberung des Weltraums vor allem von wissenschaftlicher Neugierde und mutigem Pioniergeist vorangetrieben worden ist, hatte dies auch auf die Menschheit konkrete Auswirkungen. Der grosse Astrophysiker Stephen Hawking fasste dies bei der Taufe von VSS Unity eindrücklich in folgende Worte: „Die Erforschung des Weltalls hatte bisher einen grossartigen einenden Effekt – wir scheinen im Weltraum auf eine Art miteinander kooperieren zu können, wie wir es auf der Erde nur beneiden können. Wir betreten ein neues Zeitalter der Weltraumfahrt und ich hoffe, dass uns das helfen wird, eine neue Einigkeit zu finden.“ Bleibt zu hoffen dass die kommenden Weltraumtouristen Pioniere eben dieser grossen Entwicklung werden und nicht Statisten im Reality TV.

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