Zum Redesign des UK-Reisepasses

Nach der Brexit-Abstimmung herrschte eine bemerkenswerte Sprachlosigkeit, insbesondere unter den Britischen Gegnern des Brexit. Die darauf folgende Debatte in der Britischen Öffentlichkeit war zumeist negativ geprägt. Die renommierte Design- und Architektur-Website Dezeen setzte dagegen aber ein kreatives Zeichen: Sie näherten sich dem Brexit auf spielerische Weise. Sie rief ihre Leser auf, einen Ersatz für den rotbraunen EU-Pass zu entwickeln. Der Zeitpunkt für den Wettbewerb schien genau richtig. Neben dem Fernsehsender BBC 2 haben jüngst auch nationale Zeitungen wie The Daily Mail, The Telegraph, The Guardian und The Evening Standard berichtet.

„Ich bin mit ihm sentimental verbunden, wie eine Art Tagebuch. Aber ich denke, nach der Brexit-Abstimmung hat sich mein Verhältnis zu meinem Reisepass dramatisch geändert“ sagt Marcus Fairs von Dezeen. „Mir ist aufgefallen, wie konfus das Dokument ist: das Format des Europäischen Reisepass, die Nennung der Europäischen Union und des Vereinigten Königreiches von Grossbritannien und Nordirland – was eh eine ziemlich komplexe Struktur ist. Den Pass vor Augen bemerkte ich, dass die Geschichte meiner Identität alles andere als einfach ist.“

Mehr denn je entscheidet der richtige Reisepass darüber, ob man die Welt bereisen kann oder nicht – aber gegen den digitalen Zeitgeist erscheint dieses wichtige Bündel gebundenen Papiers als ein Relikt aus der Vergangenheit. „Wir haben tatsächlich ein Interview mit dem Gestalter von Reisepässen gemacht,” berichtet Marcus Fairs von den Vorbereitungen zum Design-Wettbewerb für den Reisepass. „Er meinte, der Reisepass könnte zukünftig auf dem Telefon sein, er könnte ins Gehirn implementiert werden oder wie eine Tätowierung sein.“ Trotzdem entschlossen sich die Wettbewerbsmacher für eine konservative Herangehensweise und hielten am bekannten Format fest: „Wir forderten keine bestimmte Abmessungen aber wir sagten, dass er praktisch sein muss. Wir wollten etwas, was man theoretisch in zwei Jahren einführen könnte. Deswegen musste es internationalen Regelungen entsprechen und maschinenlesbar sein.“

Für den Designkritiker hat dieser Zugang handfeste Vorteile. „Wie würden wir sonst eine Reisepass-Tätowierung zum Beispiel mit einem normalen Reisepass vergleichen? Wir wollten, dass sich die Teilnehmer auf die Symbolik und das Material des gegebenen Formats fokussieren.“ Mit dieser Entscheidung erhoffte er sich auch einen kreativen Impuls: „Wir wollten, dass die Leute Reisepässe bauen. Wir wollten physische Dinge haben die man in der Hand halten kann und die man durchblättern kann. Sie sind Objekte. Man geht mit ihnen eine Beziehung ein, sobald man sie in der Hand hält.“

 

<h5>Marcus Fairs</h5>
Marcus Fairs

Marcus Fairs ist Gründer und Chefredakteur der Design- und Architektur-Website Dezeen. Er ist ein preisgekrönter Journalist und Autor. Als erster Blogger erhielt Marcus Fairs die Ehrenmitgliedschaft des Royal Institute of British Architects und ist einer der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten des Kreativ-Business im Vereinigten Königreich.

200 Vorschläge von 5 Design-Profis bewertet

Bis zum Einsendeschluss wurden 200 Vorschläge für Reisepässe in das Büro von Dezeen in London geschickt. Dort wurden sie von fünf Design-Profis genau unter die Lupe genommen. Neben Marcus Fairs bestand die Jury aus dem Architektur- und Design-Kritiker Oliver Wainright vom Guardian, dem Direktor des London Design Museum Deyan Sudjic, der Grafikdesignerin Margaret Calvert und Anita Taylor, Dekanin der Kunsthochschule in Bath und Vorsitzende der Kommission für höhere Bildung in Kunst und Design. Die Teilnehmer waren zumeist Designer, aber auch Studenten und Amateure nahmen teil. Die Einreichungen kamen aus 30 Ländern wobei die jüngste Teilnehmerin 12 war und der älteste 83.

Viele Arbeiten setzten sich auf die eine oder andere Art mit dem Brexit auseinander. Das Endergebnis der Abstimmung nahm zum Beispiel ein Vorschlag auf, der wie eine Mischung aus altem Britischen und neuem UK-Passport: 48% des Covers ist im EU-Design in rotbraun gehalten, 52% ist im Blau des alten Britischen Passes. Ein äusserst spielerischer Zugang ist ein schimmernder Reisepass der sich wie ein Brustbeutel tragen lässt. Sein Designer versteht es nicht nur als offizielles Dokument sondern auch als Blickfang um ein Gespräch zu initiieren. Dafür führt er im Innern eine Reihe von einfachen Phrasen in verschiedenen Sprachen auf.

Zum Redesign des UK-Reisepasses

Einige der Einreichungen zeigten deutlich die Frustration von Brexit-Gegnern, manche eher subversiv, manche sehr deutlich. Andere fokussierten mehr auf die Natur – auf die Landschaft und das Meer. Ein Norwegischer Designer spielte mit dem typischen Regenwetter, mit regengrauem Cover und Visaseiten mit Wetterberichten mit Regen, Schnee und Sonne. Ein weiterer Entwurf visualisierte geologische Datensätze aus allen Gegenden des Vereinigten Königreichs.

Die besten Entwürfe im London Design Museum

Die besten Entwürfe werden bei der Clerkenwell Design Week und im London Design Museum präsentiert. Der Direktior des Museum s Deyan Dudjic war Teil der Jury und noch vor Beginn der Bewertung war er etwas zurückhaltend bezüglich der Präsentation der Arbeiten, so Marcus Fairs: „Er musste sehr lang überlegen bis er sich darauf einliess drei zu präsentieren. Nach der Hälfte des Bewertungsprozesses sagte er, dass er vielleicht fünf präsentieren wollte. Dann sagte er zehn und die Zahl wurde immer grösser und grösser.“

Für weitere Designvorschläge und Informationen zum Gewinner besuchen Sie Dezeen.com.

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