Zwischen High-Tech und Handwerkskunst

Das Gebirge mit einem Ski aus solidem Stein erobern – das klingt nach einem besonders philosophischen Twist oder nach einer Szene aus der Comic-Serie Familie Feuerstein. Für den Schweizer Skidesigner Simon Jacomet war es eher „Verrücktheit mit einem Fokus.“ Er fand heraus, was kaum einer für möglich hielt: Solides Granitgestein entwickelt unter gewissen Bedingungen hervorragende Eigenschaften für den Skibau. Ein Ortstermin in der kleinen Skimanufakur zai zeigt, wie der Stein in den Ski kam:

Gegen den Trend in eine exklusive Nische

Der Empfang mit einem kräftigen Händedruck von CEO Benedikt Germanier fällt herzlich aus. Der Schweizer folgte 2009 dem Ruf seines Freundes und Skikollegen Jacomet zurück in die Heimat. Nach einer internationalen Karriere bei einer Grossbank wagte er den Neuanfang in einem Metier, das ihm ebenso wie Jacomet eine Herzensangelegenheit ist – dem Skifahren. Germanier erzählt vom schwierigen Umfeld bei der Gründung von zai durch Jacomet, der damals nichts geringeres als den besten und edelsten Ski der Welt bauen wollte: Es war das Jahr 2003. Der Skimarkt hatte sich gerade halbiert. „Der Skisport entwickelt sich seitdem – insbesondere in Nordamerika – zu einem elitären Sport; ob man das gut findet oder nicht“ so Germanier. In diesem Umfeld konzentriert sich zai auf die Herstellung besonders hochwertiger Ski.

Der Kunde als Innovationsbeschleuniger

Immer wieder kommen Kunden mit einem bestimmten Werkstoff auf die Skibauer von zai zu. Insbesondere Ingenieure aus der Luftfahrt oder Formel 1 wollen einen Ski aus ihrem eigenen Material haben. „Sie wollen neue Materialien testen und etwas einzigartiges konstruieren.“ so zai-CEO Benedikt Germanier.
Einer davon war Automobilmanager Franz-Josef Paeffgen, damals CEO von Bentley. Er öffnete für zai die Tür zur Bentley-Entwicklung. Skidesigner Simon Jacomet entwarf mit einem neuen Verbundwerkstoff aus dem GT-Motorsport den Bentley-Ski. Die notwendige Auseinandersetzung mit dem Werkstoff geriet zum Forschungsprojekt und auch Bentley entdeckte in diesem Zusammenhang neue Eigenschaften des Materials. „Daraus ist ein Bentley-Ski geworden für 10.000 Franken, nicht nur weil Bentley drauf stand sondern, weil auch die entsprechende Forschungsleistung eingeflossen ist“ so Germanier.

Zwischen High-Tech und Handwerkskunst
Zwischen High-Tech und Handwerkskunst

Luxuriöser Minimalismus

Die Graubündner Manufaktur stellt mit einem kleinen Team jährlich rund 1000 Ski für einen Verkaufspreis zwischen 4’000 und 10’000 Franken pro Paar her. Von einem Luxusprodukt möchte man bei zai trotz des hohen Preises nicht sprechen. „Der erste Anspruch ist immer ein funktioneller, dass die Ski Fahrfreude vermitteln“ so Designer Jacomet. Sie sollen einfach Spass machen und dabei Enthusiasten, Perfektionisten und Kenner gleichermassen ansprechen. Diese Kunden schätzen den sichtbaren und vor allem spürbaren Unterschied zum industriell gefertigten Grossserienski. Jacomet entwickelt Ski nach einer besonders konsequenten Philosophie: Alle Elemente der Konstruktion müssen einen Beitrag zur Funktion des Skis liefern. Nichts ist überflüssig.

Zwischen High-Tech und Handwerkskunst
Zwischen High-Tech und Handwerkskunst

Der visuelle Beleg, wie konsequent dies verfolgt wird, sind insbesondere die Oberflächen der zai-Ski. Kein Lack, keine Kunststoffhülle, keine bunten Aufschriften. Die schlichte, häufig einzigartig gemusterte Oberseite der Ski wird von einer Edelstahlkante geschützt und besteht je nach Modell aus edlem Walnussholz, Kohlefaser oder Cellulose-Acetat. Einlagen aus Edelstahl oder Naturkautschuk zur Kraftverteilung beziehungsweise Dämpfung sind ebenso sichtbar. Trotzdem bleibt Spielraum für Individualisierung. Holzoberflächen und Naturkautschuk lassen sich individuell einfärben. Im Gegensatz zu herkömmlichen Ski kann die Decke des Skis bei einem Service wieder aufgefrischt werden und erscheint dann auch nach Jahren wieder makellos. Das mutige Design kommt an, finden sich zai-Ski mittlerweile nicht nur auf den Pisten sondern auch in den Auslagen der Boutiquen in Vail, Lech oder Gstaad.

Schicht für Schicht zum eigenständigen Charakter

Entscheidend für den Charakter der zai Ski ist aber der Aufbau im Innern. Wie jeder Ski bestehen auch die Modelle aus Disentis aus einer Vielzahl von Schichten. Bei zai wird jedoch ein besonders grosser Aufwand betrieben: Einerseits ist das verwendete Material besonders hochwertig. Zum Einsatz kommen natürliche Rohstoffe und High-Tech-Materialien, zum Beispiel aus der Luftfahrt oder Medizinalindustrie. Andererseits dauert es rund 6 Stunden, bis die rund 60 Einzelteile per Hand Schicht um Schicht übereinander gelegt sind. Danach kommt der Rohling während 20 Minuten bei rund 110°C in eine computergesteuerte Presse. Zwischen 3 und 4 weitere Stunden dauert es dann nochmals, bis das endgültiges Erscheinungsbild erreicht ist und der Skibelag optimal vorbereitet ist. Ein Grossserienski ist bereits nach einer Stunde fertig, verliert aber schnell an Elastizität.

Zwischen High-Tech und Handwerkskunst

Neugierde und Intuition als Quelle von Innovation

Spricht Jacomet über die Materialien in den Ski, so merkt man ihm seine Begeisterung besonders an. Er ist ständig auf der Suche, testet und versucht herauszufinden, ob ein Material tatsächlich einen „erfahrbaren“ Vorteil gegenüber Bestehendem bietet. „Ich will ein Produkt haben, das von A bis Z überzeugt, hinter dem ich stehen kann“ so Jacomet. Beim Stein-Ski hörte der Entwickler erst von einem besonders ummantelten Granit, der sich bei Hitze weder ausdehnt noch zerbricht – ideal für anspruchsvolle Induktionskochfelder. Was den Entwickler aber besonders aufhorchen liess: Der unter Druck mit Carbonfaser ummantelte Stein (Carbon Fiber Stone oder einfach CFS) liess sich in gewissen Grenzen biegen.

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Mit Granit ruhig über ruppige Pisten gleiten

Jacomet testete das neue Material, das im Kern zwischen 30 bis 100 Millionen Jahre alt ist. Er fand bald heraus, dass der Werkstoff fest wie Stahl und leicht wie Alu ist. Wichtiger aber war, dass CFS die Energie ausgesprochen homogen über den Ski verteilt. Jacomet baute mit dem spada einen Ski um dieses Material, trotz des hohen Preises von rund 10’000 Franken der Topseller in der Modellpalette. Tatsächlich konnte er die gemessenen Eigenschaften des Materials auf die Piste bringen: Spada-Fahrer loben seine extreme Laufruhe. Selbst bei ruppigen Pisten spüren sie weniger Vibrationen und haben eine gute Kontrolle über den Ski.

Trotz High-Tech: Vieles beim Skibau bleibt Erfahrungssache

Die überraschend deutlich wahrnehmbaren Qualitäten des Granit-Ski sind nicht selbstverständlich: Denn ein Ski ist nie nur abhängig von seinem Kern sondern immer ein Gesamtpaket aus Material, Form und Verarbeitung. Das stimmige Ganze gerät aus dem Gleichgewicht, sobald auch nur ein Element verändert wird. In dieser Gemengelage zahlt sich die Intuition eines erfahrenen Skibauers besonders aus, insbesondere wenn ein erfolgreicher Ski wie der spada weiter optimiert wird. Jüngst hat der Stein-Ski eine neue Oberfläche aus Cellulose-Acetat erhalten. Flexibel und doch fest sorgt die glatte Textur mit individuellem Muster für eine noch edlere Anmutung und macht den Ski insgesamt robuster.

Zwischen High-Tech und Handwerkskunst

Jacomet hatte sieben Jahre mit dem Material gerungen, bis er herausfand, wie das Material im Skibau zu verarbeiten ist. Die Kunden können den Unterschied deutlich sehen und spüren. Doch vor den Kunden muss Jacomet stets jeden einzelnen Mitarbeitenden von zai für seine Innovationen gewinnen: „Die Argumentation muss bis zum letzten stimmen, damit jeder im Team, alles enthusiastische Skifahrer, die Motivation für die Umsetzung hat.“ Das sei nicht immer einfach, aber Jacomet weiss, dass seine Ski nur so auch vor dem Kunden Bestand haben.

Trotz aller Technik – für die Kunden von zai sind die Ski der Schlüssel zu einem bestimmten Erlebnis, eine Quelle für besondere Begeisterung. „Da gibt es Leute, die mit dem Helikopter hier her kommen und am Ski mit bauen. Oder eine Lehrtochter aus einem Sportfachhandel, die das Geld für den Ski monatelang zusammengespart hat und zum 20. Geburtstag einen testa selbst baut. Beide verbindet die Begeisterung am Produkt und am Skifahren“ berichtet CEO Germanier. Für ihn sind die Erlebnistage deswegen zentrale Events. Mit interessierten Kunden werden dort die verschiedenen Modelle nicht einfach getestet. Die versammelten Skifahrer werden für einen Tag Teil des Entwicklungsteams. Sie sollen die verschiedenen Ski-Konzepte buchstäblich selbst „erfahren“ und ihre Eindrücke an die zai-Mitarbeiter weitergeben. Das Feedback ist eine wichtige Orientierung, was oder wie viel von den zai-Innovationen tatsächlich beim Skifahrer ankommt und was die Freude am Ski weiter unterstützt. Ein klarer Fall von Crowdsourcing in der Produktentwicklung, würde man Neudeutsch sagen. Für zai ist dies aber Ausdruck der kompromisslosen Philosophie, mit einzigartigen Ski dem Skifahrer ein Maximum an Freude und Fahrspass zu bieten.

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