Im Herzen von Familienunternehmen

Familienunternehmen sind mehr denn je einem Spannungsfeld aus unzähligen internen und externen Einflüsse ausgesetzt, und haben insbesondere mit einem strategischen Dialog und einer langfristigen Planung, die sämtliche Familieninteressen umfasst, zu kämpfen. Immer mehr Familien stellen sich dieser Herausforderung heute durch die Umsetzung eines relativ neuen Konzepts: der «Family Bank».

 

Mit seinen Erfahrungen aus erster Hand bei der Leitung der Geschäfte seiner eigenen Familie sowie der Beratung von Familien und Unternehmer zu deren geschäftlichen Belange spricht Ed Lee mit uns über den Erfolgskurs der Family Bank und darüber, wie diese genutzt werden kann, um den Horizont zu erweitern und Risiken zu minimieren.

 

Sie haben kürzlich einen Artikel über die zunehmende Bedeutung der Family Bank veröffentlicht. Zunächst einmal: Was genau ist eine Family Bank?

Es handelt sich um ein Konzept, bei dem Familienmitglieder ermutigt und gefördert werden, Investitionen ausserhalb des Kernhandelsgeschäfts zu tätigen, aber innerhalb des von der Familie festgelegten Rahmens und langfristigen Ziele.

Strukturell kann eine Family Bank eine Vielzahl von Dingen sein – ein Investitionsvehikel, ein Investment Trust oder ein Investitionsrahmen. Unabhängig davon, wie umfassend die tatsächliche Struktur ist, denke ich, dass es für viele Familien hilfreich ist, eine Family Bank zu nutzen, wenn sie ihr Vermögen schützen und vermehren wollen.

 

Was genau verstehen Sie unter einer «Family Bank Mentalität»?

Kurz gesagt ist es eine innovative und auf Unternehmergeist beruhende Denkweise, die ein klares Ziel vor Augen hat.

Es ist sehr wichtig, in der Lage zu sein, über Geschäfts- und Investitionsinteressen sachlich nachzudenken und das grosse Ganze zu sehen, das über «das Geschäft» hinausgeht. Für Menschen ist das naturgemäss schwierig – ganz gleich, ob es sich nun um einen erfolgreichen Unternehmer handelt, der «sein Baby» aus dem Nichts erschaffen hat, oder um ein Unternehmen, das sich seit vielen Generationen im Familienbesitz befindet und mit dessen Tradition und Geschichte die Familienmitglieder von klein auf eng verflochten sind. Ein Schwerpunkt liegt für mich darin, vermögenden Privatkunden zu helfen, eine breitere Perspektive zu entwickeln, so dass sie sich strategisch diversifizieren, innovative Wege einschlagen und sich zum Nutzen der heutigen und zukünftigen Generationen anpassen können. Ich denke, dass all diese Faktoren zusammen den Kern dieser Mentalität ausmachen.

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Was sind die Vorteile eines Family Bank-Ansatzes?

Das Grossartige daran ist, dass es sowohl dem Human- als auch dem Finanzkapital zugutekommt, die für mich eine Symbiose bilden. Dieser Ansatz unterstützt Familienmitglieder dabei, ihre eigenen Fähigkeiten innerhalb eines Rahmens unter Beweis zu stellen und zu verbessern. Dabei reicht die Family Bank über das Kerngeschäft hinaus, während sie gleichzeitig Unterstützung, Unabhängigkeit und Verantwortlichkeit zur Förderung eines diversifizierten Wachstums bietet.

Ausserdem erleichtert dieser Ansatz eine reibungslose Nachfolgeplanung, indem er die nächste Generation auf kooperative statt vorschriftsmässiger Weise einbindet. Im Wesentlichen liefert der Family Bank-Ansatz alle wesentlichen Komponenten – Diversifizierung, Innovation, Bestimmung und Wohlbefinden – für den Erfolg über mehrere Generationen hinweg.

 

Stichwort Diversifizierung: Wann wird diese zu komplex?

Das ist eine gute Frage, deren Antwort für jede Familie anders ausfällt. So werden beispielsweise einige Kernhandelsgeschäfte von Natur aus vielschichtiger sein als andere. Es ist auch wichtig, über Risiken und Störfaktoren nachzudenken. Auf der höchsten Ebene geht es letztlich darum, ausgewogene Aufteilung des Vermögens zwischen aktiven und passiven Interessen, Anlagekategorien, Eigentumsstrukturen, Regionen, Gerichtsbarkeiten und Währungen zu gewährleisten. Der einzige pauschale Ratschlag, den man hier geben könnte, lautet: Sorgen Sie für Rahmenbedingungen, die Ihrer Infrastruktur angemessen sind.

 

Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen beim Aufbau von Family Bank-Strukturen?

Ich hatte das Glück, sowohl als Familienmitglied als auch als Berater intensiv an Investitionsvorhaben von Familien beteiligt gewesen zu sein. Im Hinblick auf die Familie meiner Frau trafen wir die Entscheidung, das Familienunternehmen zu verkaufen, das zwar global diversifiziert, aber der Volatilität des Marktes für hochwertige Kunst ausgesetzt war. Wir hielten es für wichtig, die Investitionsinteressen zu diversifizieren und die Abhängigkeit von einem einzelnen grossen Handelsbereich zu reduzieren.

Mein Rat an jeden, der eine Familienbank gründet, wäre, sich am Anfang nicht auf zu viele Gelegenheiten zu stürzen, diszipliniert zu sein, gut zu selektieren und Schwerpunkte zu setzen. Mein Vater sagt oft: «Man kann den Schmetterling über das ganze Feld jagen und nie fangen, aber wenn man sich ins Gras setzt, kommt er und setzt sich auf deine Schulter». Dieses Sinnbild kommt hier voll zum Tragen, zumal in der Welt der Privatinvestitionen immer mehr Wert auf die Beschaffung, den Deal-Flow und den Einsatz von Kapital gelegt wird. Eine Family Bank sollte davon profitieren können, bei Investitionen oder Veräusserungen keinem Druck von aussen ausgesetzt zu sein.

 

"Eine Family Bank kommt sowohl dem Human- als auch dem Finanzkapital zugute."

Ed Lee, Business Strategist und Gründer & Director von Bowbridge

Sie sagen in Ihrem Artikel, dass «eine der primären Quellen für Probleme und Streitigkeiten in Unsicherheiten und Fehlinterpretationen der Familienverfassung oder -rahmens» liegt – wie können Familien sicherstellen, dass ihre Familiencharta so klar wie möglich ist?

Die zwei zentralen Dinge sind für mich Einfachheit und Kommunikation. Es ist wichtig, alle relevanten Familienmitglieder in den Prozess einzubeziehen sowie die langfristige Strategie und die kurzfristige Umsetzung zu besprechen. Beim Streben nach Vollständigkeit wird die Einfachheit oft übergangen, aber wenn die Charta zu eingehend ist, insbesondere was die Nachfolge betrifft, geht dies zulasten der Eindeutigkeit. Jede Familie wird eine andere, für sie probate Lösung haben, aber ich denke, es ist wichtiger, ein bestimmtes Leitbild bzw. Ethos zu verankern, als zu versuchen, jede denkbare Eventualität vorauszusehen; ich weiss, dass einige Anwälte mir in dieser Hinsicht nicht zustimmen werden.

 

Ist der Prozess der Aufstellung einer Familiencharta nicht auch selbst eine Quelle von Problemen und Streitigkeiten?

Das glaube ich eigentlich nicht. Der Prozess könnte zwar Probleme aufzeigen, ist aber in der Regel eher die Diagnose und nicht die Quelle von Streitigkeiten. Es ist wichtig, potenzielle zukünftige Probleme so früh wie möglich zu erkennen und die schwierigen Gespräche zu führen, damit solche problematischen Themen angesprochen oder zumindest abgeschwächt werden können. Zeit, die damit verbracht wird, in die Zukunft zu blicken, gilt selten als verschwendet.

 

Wie können Familien sicherstellen, dass diese Charta von allen Beteiligten wirklich «gelebt» wird?

Erstens ist es unerlässlich, dass alle relevanten Akteure tatsächlich in den Prozess der Erstellung oder Aktualisierung der Familiencharta einbezogen werden und dass ihnen die Vision effektiv kommuniziert wird. Wenn der Ansatz und die Werte nicht von Haus aus bekannt sind, bleibt eine Charta allzu oft nach dem Erstellen und Ablegen vergessen. Die Familiencharta wird nicht routinemässig, sondern beim Auftreten von Problemen konsultiert. Dann kann es jedoch zu spät sein, das Problem effektiv anzugehen. Haben die einzelnen Stakeholder aber Klarheit in Bezug auf das grosse Ganze, hat die Familie die besten Chancen Probleme vorzubeugen.

Die Familiencharta birgt ein Risiko bei der Erbfolge, die viele Herausforderungen mit sich bringt und sorgfältig geplant sein will. Die nächste Generation wird zwangsläufig ein geringeres Verständnis der strategischen Vision und der Familiencharta haben, wobei dies oft noch durch eine Verwässerung der Kontrollmöglichkeiten verstärkt wird. Auch hier gilt, dieses Risiko durch rechtzeitiges Handeln, Klarheit und aktive Einbindung der nächsten Generation zu minimieren.

 

"Wenn man Plan B genügend Zeit widmet, hilft es oft sehr bei der Umsetzung von Plan A. "

Ed Lee, Business Strategist und Gründer & Director von Bowbridge

Sind diese Fragen der langfristigen Planung und der Festlegung von Zielen etwas, das eine Familie selbst oder mit externer Hilfe und Beratung herausfinden muss?

Je nachdem, wie man es nimmt. In vielen Fällen gibt es äusserst fähige Berater und Bevollmächtigte, die ihre spezifischen Aufgabenbereiche abdecken – wie z.B. Rechtsanwälte, Steuerberater, Vermögensverwalter oder Mitglieder der Geschäftsführung. Doch wo Familien oft am wenigsten beraten werden, ist auf höchster Ebene, nämlich bei der Entwicklung und Umsetzung einer umfassenden Strategie, die die gesamte Familie und ihre kollektiven und jeweiligen Interessen einbezieht, anstatt bestimmte Elemente isoliert zu verwalten und zu koordinieren.

 

Sie erwähnten vorhin den Verkauf des Kernhandelsgeschäfts. Welchen Rat würden Sie Personen geben, die das Gleiche in Betracht ziehen?

Erstens: Bereiten Sie sich gut vor. Eine detaillierte Planung muss mindestens drei Jahre im Voraus erfolgen. Bis zu 80 % der Verkaufsprozesse scheitern, und Unternehmen erfahren während und als Folge von Verkaufsprozessen leicht interne Ablenkung und externen Druck, so dass Zeit für die richtige Vorbereitung von entscheidender Bedeutung ist. In unserem Fall haben wir mehrere Jahre mit der Vorbereitung vor einer intensiven 12 Monate dauernden Übergabe verbracht.

Zweitens müssen Sie die Führung aller familiären und nichtfamiliären Stakeholder sehr sorgfältig leiten. Ohne das Engagement und die Fachkompetenz des Managementteams können Sie ein Unternehmen nicht verkaufen. Folglich müssen Sie dafür sorgen, dass sie alle ein gemeinsames Ziel verfolgen.

Ein weiterer Ratschlag wäre: Um eine fundierte Entscheidung zum Verkauf des Unternehmens treffen zu können, müssen Sie sich vergewissern, dass Sie den Plan für die Zeit nach dem Verkauf durchdacht haben, einschliesslich der Frage, was mit dem Erlös geschehen und wie dieser verwaltet werden soll. Nur dann können Sie mit Sicherheit sagen, ob es die richtige Vorgehensweise ist.

Und schliesslich sollte man Flexibilität beweisen und eingeschlagene Wege auch mal überdenken. Die Dinge können und werden sich ändern. Deshalb ist es entscheidend, immer einen Plan B zu haben, sei es für die Nachfolge oder den Ausstieg. In Vorbereitung auf den Verkauf unseres Unternehmens habe ich ebenso viel Zeit mit der Planung der Nachfolge meiner Generationen verbracht wie mit der Planung des Verkaufs. Es ist wichtig zu erwähnen, dass viele der Verbesserungen, die ich typischerweise im Vorfeld eines Verkaufsprozesses vornehme – darunter die Verfeinerung der strategischen Vision, die Verringerung der Abhängigkeit von wichtigen Familienmitgliedern und die Konzentration auf Massnahmen zur Effizienzsteigerung – einfach zur guten Praxis zählen und dem Unternehmen unabhängig vom Eigentümer zugute kommen. Aus diesem Grund, und anders als man es vielleicht vermuten würde, hilft es oft sehr bei der Umsetzung von Plan A, wenn man genügend Zeit dem Plan B widmet.

 

 

Erfahren Sie mehr über Family Banks von unserem Chief Executive Stefan Liniger, Vorstandsmitglied Philip Marcovici und Business Strategist Ed Lee in Zusammenarbeit mit Ispahani Advisory:

Familienunternehmen und die wachsende Bedeutung der Family Bank

 

Hier erfahren Sie mehr darüber, wie wir Ihnen helfen können, eine ganzheitliche und umfassende Strategie für Ihre Familie zu finden.

 

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